Читать онлайн «Der Eroberer»

Автор Weidmann Paul

Paul Weidmann

Der Eroberer. Eine poetische Phantasie in fünf Kaprizzen. Aus alten / Urkunden mit neuen Anmerkungen

Zueignungsschrift

An einen König der Antipoden

Wenn Eure Majestät, wie einige Reisende behaupten, auch ein Beschützer der deutschen Musen sind, welches die Fürsten selten wagen; so sind Sie ein wahrer Antipode von unserm gelehrten Europa, und ein Antipode aller Könige. Ich sage nicht mehr zum Ruhme Eurer Majestät, weil ausserordentliche Tugenden durch Stillschweigen am besten gepriesen werden. Nur gewöhnliche Könige werden gelobt, damit sie einige Tage länger leben.

Ich lege Eurer Majestät mit warmer Empfindung der hohen Bewunderung mein Buch ehrerbietig zu Füssen, weil einige Meere und einige tausend Meilen mir das Vergnügen rauben, mich ihrem Throne persönlich zu nähern u. s. w.

Vorrede des Dichters

Die Musik ist die Mutter der Poesie; alle Eigenschaften erbt also diese liebenswürdige Tochter. Warum sollte sie die sinnreichste Gabe die Phantasie entbehren? Sollte die Dichtkunst nicht eben die harmonischen Freyheiten geniessen, da sich der spielende Tonkünstler frey seiner willkührlichen Laune überläßt, und in ein bewunderungwürdiges Chaos aller Tonarten sich verwickelt? Von einem taumelnden Wirbeltanze hüpft er zu einer melancholischen Arie; ehe er sie noch zu Stande bringt, schleicht er tändelnd zum neckischen Rundliedchen, artet rasch in ein heulendes Ungewitter aus, und donnert blutige Schlachten. Diese zerstreute Begeisterung ist oft den horchenden Ohren ein seltnes unerwartetes Vergnügen, und man hört manchen Künstler lieber phantasiren, als ein regelmäßiges Concert spielen; die Ursach ist, weil der kühne, und mannichfaltige Wechsel der Gedanken, und die verwägnen Uebergänge die Zuhörer reizen, hinreissen, erschüttern.

Lasset uns versuchen, welchen Eindruck eine poetische Phantasie auf das menschliche Herz machen wird. Vielleicht bringt die scheinbare Unordnung, die doch heimlich Ordnung und Verbindung hat, das neue Gewühl gedrängter Ideen, eben die gute Wirkung in dem Gemüthe der Leser hervor.

Es ist wahr, der Gleis ist unbetreten; ich kann meinen dreisten Versuch weder mit alten noch neuen Schriftstellern vor dem strengen Richterstuhle der gelehrten Welt rechtfertigen; aber mit ihrer gütigen Erlaubniß meine hochschätzbarsten Herren Kunstrichter und Richterinnen, müssen wir denn ewig so knechtisch unser Gehirn in Fässeln legen, daß wir nicht einmal einen Schrit ohne Leitbande wie die Kinder wagen dürfen, und bey jeder launichten Streiferey vor dem Hohngelächter zittern müssen?